„Es geht um Connection, um Menschen und darum miteinander zu kommunizieren.“

Social Media Beraterin Melanie Rehberger
Melanie Rehberger, Foto: ilaria petrucci photography

Interview mit Melanie Rehberger über die Rolle von Social Media für das Marketing

Einen Termin mit Melanie zu kriegen, war gar nicht so einfach. Sie ist als Social Media-Beraterin sehr gefragt und deshalb ziemlich ausgebucht. Wir treffen uns im St. Oberholz.

Wir unterhalten uns kurz über die Herausforderung der „Girlbosses“, die sich immer zu viel vornehmen. Darüber, dass es jeden Tag so viel Neues zu entdecken und zu lernen gibt, aber dass wir auch auf unsere Prioritäten achten müssen. „Where focus goes energy flows“, sagt Melanie. Ich habe Glück, andere Termine sagt sie ab.

Melanie, du bist eine ziemlich gefragte Social Media Beraterin. Wie kam das?

Ich hatte immer schon zwei Leidenschaften: Medien und Menschen. Durch meinen Master in Neue Medien habe ich sehr schnell Jobangebote bekommen und auch von Anfang an mit großen Brands (Marken) gearbeitet. Heute arbeite ich vorwiegend als Social Media Beraterin. Dazu gehört Strategie, Konzeption, Social Media Management und ich biete Social Media Coaching an. Hier helfe ich Menschen dabei, zum Beispiel ihre eigene Social Media-Strategie zu schreiben oder schule zu bestimmten Themen.

Geht es eigentlich noch ohne Social Media? Muss jedes Unternehmen auf Facebook sein? Muss auch die Bäckerei an der Ecke auf z.B. Facebook sein?

Das kann man nicht pauschal beantworten, es kommt auf das Unternehmen an. Social Media ist ja einfach nur ein neuer Kommunikationskanal. Insofern ist Social Media wichtig und wird noch wichtiger werden.
Am wichtigsten ist aber, dass man sich überlegt, wo erreiche ich meine Zielgruppen. Die Jüngeren haben ja gar keinen Fernseher mehr. Die erreicht man eher auf Instagram und Snapchat.
Die Bäckerei kommt wahrscheinlich ganz gut ohne Instagram zurecht. Ich kann mir aber als Bäckerei um die Ecke etwas Witziges überlegen für meinen Instagram Channel. Damit kann ich über meine Laufkundschaft hinaus einen Kultstatus erreichen und dann vielleicht irgendwann ein Bäckerei-Imperium haben.

Fällt dir spontan etwas ein, wie man das angehen könnte?

Man könnte zum Beispiel Geschichten über Kunden bringen: Warum kommt Herr Müller seit 10 Jahren in die Bäckerei? Damit kann man eine Beziehung herstellen zu Personen, die im richtigen Leben (noch) keinen Bezug zur Bäckerei haben.

Wenn man auf Facebook und Co. nicht direkt verkauft, was macht man dann da?

Social Media sind eine Möglichkeit die eigenen Marke, die eigenen Werte nach außen zu kommunizieren. Wenn du es schaffst einen Love-Brand aufzubauen…

Was ist ein Love-Brand?

Beispielsweise Apple ist ein Love-Brand.

… dann hast du viel höhere Effekte, also Conversion zu Selling. Wenn du eine Marke hast, die du liebst, dann kaufst du einfach mehr und immer wieder von dieser Marke.
Nimm zum Beispiel Instagram, da geht es um Content, nicht ums Verkaufen. Du kannst nur einen Link setzen in deiner Bio. In Posts kannst du gar keinen Link setzen. In der Bio kannst du auch keine zwei Links setzen. Selling ist hier nicht im Vordergrund, sondern spielt erst im zweiten Schritt eine Rolle. Es geht hauptsächlich um Branding. Mittlerweile kann man aber auch über die Instagram Stories direkt und easy in Shops verlinken. So kombiniert man Branding mit Selling.

Und was ist mit Facebook?

Facebook ist inzwischen mehr ein Newsfeed. Man leitete Anfragen weiter, man teilt Dinge, die man selbst angezeigt bekommt. Den Alltag kommuniziert man mittlerweile auf Instagram. Da passiert täglich was. Auf Xing sind wir auch, aber zum Vernetzen, zum Anfragen schreiben und beantworten, viel Content-Aktivität ist da nicht.

Für welche Unternehmen, Kampagnen, Zwecke eignet sich Snapchat?

Snapchat eignet sich für authentischen Content, der schnell und einfach live ist. Jeder kann kurze Sequenzen filmen, zu Beispiel „behind the scenes“. Du kannst kurz eine Person interviewen: Wer bist du? Was arbeitest du hier? Was findest du gut hier? Du kannst also auf simple Weise Dinge zeigen, die du kommunizieren willst. Emojis und Filter dazu, fertig. Das ist keine wochenlang vorproduzierte Story. Es ist live, es ist echt, es ist authentisch.

Hört sich nach einem idealem HR-Marketing bzw. Recruiting Channel an.

Absolut. Vor allem, weil die Jüngeren auf diesen Channels zu finden sind und weil du guten, authentischen, interessanten Content produzieren kannst. Du kannst auch über Instagram Storys wunderbar Geschichten erzählen.

Mit Instagram Stories hat Snapchat eine große Konkurrenz bekommen. Lohnt sich Snapchat überhaupt noch?

Man merkt die Stories schon sehr. Man hat auf Instagram einfach alles in einer App – und alles doppelt zu posten macht auf Dauer einfach keinen Spaß. In meinem Snapchat-Feed passiert nicht mehr ansatzweise so viel wie noch vor ein paar Monaten, stattdessen posten immer mehr Leute täglich etwas in ihrer Instagram Story. Auch Personen, die Snapchat nicht mal installiert hatten.

Snapchat ist ja sowieso ein recht junger Channel.

Ja, Snapchat ist vor circa zwei Jahren bei uns populär geworden. Die Snapchat-Filter, wie z.B. den bekannten Hundefilter, hat Instagram Stories lange nicht gehabt. Aber auch solche Filter gibt es inzwischen in den Stories. Man konnte aber auf Instagram von Anfang an den Ort in seiner Story taggen, zum Beispiel das Café, in dem wir hier sitzen. Das kannst du bei Snapchat nicht. Dafür hat Snapchat Geofilter, einen Berlin-Filter, sogar einen Berlin-Mitte-Filter. (Sagt es und postet gleich ein Filmchen von uns mit entsprechendem Filter auf Instagram.)

Und für welche Unternehmen eignet sich Instagram?

Instagram ist eine Foto-Community. Es geht um schönen Foto-Content. Durch Stories hat Instagram seine Möglichkeiten erweitert. Jetzt kann jeder ganz einfach schönen Video-Content produzieren. Auch Dienstleistungsbranchen oder Unternehmen, die keine optisch tollen Produkte haben, können das. Man kann zu jedem Thema einen visuellen Zugang finden und damit auch die Dienstleistung auf eine interessante und visuelle Weise kommunizieren. Man muss sich nur coole Ideen überlegen, die zum jeweiligen Tool oder zur jeweiligen Community passen. Das kann auf Snapchat ganz anders aussehen als auf Instagram.

Influencer spielen beim Social Media Marketing eine große Rolle. Wie funktioniert das?

Man muss sich einen Influencer suchen, der zu den Brand Values (Markenwerten) passt, der Brandfit hat (der Markenwerte verkörpert). Man muss sich auch darüber klar werden, was man erreichen will, wenn man mit Influencer XYZ zusammenarbeitet. Will ich seine Community erreichen oder will ich, dass er mein Produkt in die Kamera hält? Manchmal arbeitet man auch mit Microinfluencern zusammen. Die haben eine eher kleine Community, aber dafür perfekten Brandfit. Damit erreiche ich dann 100 Prozent meiner Zielgruppe. Man muss solche Strategien immer ausgehend vom Brandfit konzipieren. Was will ich mit diesen Influencer Relations erreichen? Will ich eine langfristige Beziehung oder eine einmalige Kampagne?

Ist das nicht einfach Schleichwerbung?

Es gibt eine ganz klare Kennzeichnungspflicht nach Telemediengesetz. Wenn der Influencer mein Produkt in die Kamera hält, muss er zum Beispiel ein #sponsored oder #werbung hinzufügen.

Was sagt die Community des Influencers zu solchen Aktionen? Die Arbeitsagentur hat ja kürzlich eine Kampagne mit dem YouTuber Julien Bam gefahren. Das fand ich nicht so recht authentisch, nicht lustig, nicht unterhaltsam.

Als Influencer muss man sich bei jedem Angebot überlegen, ob man mit dem Herzen dabei ist. Man muss schon aufpassen, sonst schadet man sich selbst.

Braucht man für Influencer Kampagnen einen Experten?

Es kommt darauf an, ob es wirklich klar ist, welche Influencer zu mir und meinem Brand passen oder ob man erst recherchieren muss. Man sollte sich in der Welt der Influencer auskennen. Wer ist auf welchem Kanal unterwegs? Wer hat welche Community? Es gibt auch Tools, die einen dabei unterstützen.
Strategische Erwägungen vorab sind wesentlich. Wenn man das ohne Knowledge macht, dann kommt wahrscheinlich nicht der gewünschte Effekt rüber.

Was kann man denn mit einer gut gemachten Social Media-Kampagne erreichen?

Also erstmal muss man zwischen Kampagne und Strategie unterscheiden. Eine Kampagne macht man auf einem bestehenden Kanal. Dazu muss man erstmal eine Social Media-Strategie, eine Community und Content haben.
Für neuen Kunden schreibe ich eine Social Media-Strategie und mache einen Content Plan. Im Anschluss kommt ein Fotoshooting und dann wird jeden Tag gepostet. Jetzt kann man sich eine Kampagne überlegen, eventuell mit einem Influencer. Der schnappt sich zum Beispiel dein Instagram Storys-Account und filmt sich selbst bei einem Event des Brands. Das ist dann eine Kombi aus Event und Influencer. Für das, was der Influencer daraus macht, sollte man ihm freie Hand lassen.

Freie Hand?

Ja, man steckt natürlich Rahmenbedingungen ab. Ein grobes Konzept sollte schon vorhanden sein. Es muss klar sein, was man erreichen will. Dann soll man den Influencer aber machen lassen, damit es auch authentisch wird.

Worauf muss man als Unternehmen bei Facebook achten? Wie baut man sich eine treue, nützliche Community auf? Welche Fehler sollte man nicht begehen?

Was super wichtig ist, ist authentisch die Brand Values zu kommunizieren. Auch sollte man als Unternehmen nahbar werden, um eine Interaktion, einen Dialog mit der Community zu ermöglichen. Vermeiden sollte man alles Unauthentische und auch nicht jeden Trend mitmachen, der gar nicht zum Brand passt. Auch der Content muss einen gewissen Qualitätsstandard haben. Manchmal ist es aber wichtiger, etwas auszuprobieren, einfach mal zu machen. Man sollte nicht Content vom Fließband produzieren, sondern authentischen „unique“ Content. Man muss sich überlegen, was habe ich für Ziele auf dem Channel? Was will ich erreichen? Hat der Content Mehrwert für meine Community? Wenn nicht, geht man im Rauschen unter.

Sollte man sich Facebook-Fans kaufen?

Das sollte man vermeiden, Stichwort Glaubwürdigkeit. Was bringt das denn auch? Man will doch einen guten Dialog mit einer echten Community. Man will mit den Menschen in Kontakt sein, die wirklich am Brand interessiert sind.
Gekaufte Fans erkennt man auch an der Interaktionsrate. Wenn die niedrig ist und die Fanzahl total hoch, dann gibt es ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Was gibt es bei Facebook-Ads zu beachten?

Da muss man erstmal überlegen, warum man Ads schalten will. Willst du Fans oder willst du Kunden? Das ist die grundsätzliche Überlegung: Soll jemand auf die Website kommen oder soll jemand Fan werden?

Was ist der bessere erste Schritt?

Das kommt darauf an,was man erreichen will. Langfristig ist es sinnvoller, eine Community aufzubauen.

Ist es nicht besser, mittels Facebook Leads zu generieren für das Email-Marketing? Schließlich gibt es ja noch das Problem mit dem Facebook-Algorithmus.

Der Facebook-Algorithmus sorgt natürlich dafür, dass nicht jeder Fan alles sieht. Aber das passiert mit E-Mails auch. Nur der Brand Trust (das Vertrauen in die Marke) sorgt für lange und treue Beziehungen. Letztendlich sind alle Maßnahmen Bestandteil von einem großen Marketingmix. Wichtig ist, was sind meine Ziele und wo ist meine Zielgruppe. Auf Facebook sind die Jüngeren gar nicht mehr zu finden. Welcher Channel passt also am besten? Natürlich transportieren E-Mails viel mehr Infos, sie sind dafür aber nicht so emotional wie beispielsweise Instagram, wo man einfach schöne Geschichten erzählen kann.

Wo geht die Reise hin mit Social Media?

Die Authentizität wächst, beispielsweise Video ist ganz unmittelbar. Es geht um being real (echt zu sein), um Connecting, um Menschen und darum miteinander zu kommunizieren. Es ist nichts weit Entferntes. Social Media ist nur eine Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren. Das alles im Brand Kontext. Social Media ist kein hochtrabendes Etwas sondern einfach Kommunikation. Es sind die heutigen Medien und Kommunikationsmittel. Früher hatte man das Medium Fernsehen. Da war die Kommunikation einseitig. Das ist das Besondere an Social Media. Sie ermöglichen Kommunikation und Dialog.

Schönes Schlusswort. Danke dir.

 

Melanie Rehberger war freie Social Media Beraterin in Berlin. Sie hat erfolgreich Brands und Unternehmen hinsichtlich deren Social Media Präsenz beraten. Sie konzipierte Social Media Strategien für Ihre Kunden und verfasste passende Konzepte z.B. im Bereich Influencer Relations. Des Weiteren war sie Coach für den Bereich Social Media und hat Workshops und Weiterbildungen angeboten. Im Mai 2018 ist sie unter tragischen Umständen verstorben. Sie war nicht nur eine kompetente Social Media Beraterin, sie war auch ein bezaubernder, liebenswerter und inspirierender Mensch. Ihr Tod ist ein großer Verlust. Meine Gedanken sind bei den engen Freunden und Angehörigen.